{"id":8327,"date":"2022-06-22T06:24:37","date_gmt":"2022-06-22T06:24:37","guid":{"rendered":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/?p=8327"},"modified":"2022-06-22T06:24:37","modified_gmt":"2022-06-22T06:24:37","slug":"fremdsein","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/fremdsein\/","title":{"rendered":"FREMDSEIN"},"content":{"rendered":"

 <\/p>\n

Ich nehme euch als fremd wahr und ihr nehmt mich als fremd wahr. Das ist uns ein komisches Gef\u00fchl. Um dieses Gef\u00fchl loszuwerden, machen wir immer wieder mit einer Begr\u00fcssung und Vorstellung vertraut. So laufen unsere Gespr\u00e4che gelassen und locker. Mit dieser Vertrautheit erreichen wir Sicherheit und f\u00fchlen uns wohl.<\/p>\n

Da dies auch den Despoten bewusst ist, benutzen sie beispielsweise Exil als eine Strafe. Egal, ob es freiwilliges Exil oder Zwangsexil ist. Die nat\u00fcrliche Vertrautheit des Opfers von Unterdr\u00fcckung wird von Despoten abgeschnitten, die Vertrautheit mit allem, Vertrautheit mit Familie, Arbeit, Natur oder Alltag. Deswegen kann man in Exil sagen, ich bin ungerecht bestraft, bestraft von Despoten, bestraft mit Fremdwerden.<\/p>\n

Fremdsein f\u00e4ngt im Heimatland an, sogar in der Familie oder im Freundeskreis. Zuerst verlassen sie das Opfer, bevor Opfer sie verlasse. Alleinheit, Isolation oder Verlassenheit sind die ersten Zeichen vom Fremdsein. Man sieht sich gezwungen, wegzugehen. Man denkt naiv, dass Weggehen nutzen kann. Aber nein!<\/p>\n

Fremdsein ist unheilbar. Wenn man fremd ist, bleibt man immer fremd. Einmal fremd, immer fremd. Weggehen bringt genau aus diesem Grund nichts. Man bleibt in seiner Heimat fremd und auch im Ausland fremd. Man versucht, sich zu integrieren und sogar neue Identit\u00e4t aufzubauen. Aber ohne Erfolg. Sein Gesicht, seine Hauptfarbe, sein Akzent stellen stets ein Problem dar. Die anderen bemerken es und sagen, \u00absie sprechen aber gut Deutsch, woher kommen sie\u00bb, denn wir d\u00fcrfen nicht einheimisch sein. H\u00f6chstens ein guter Fremd.<\/p>\n

Fremdsein ist leider erblich. Die Kinder d\u00fcrfen oder k\u00f6nnen dieses verfluchte Erbe nicht ausschlagen. Sie m\u00fcssen damit leben. Manche Kinder verstecken zwar sich, lehnen die Vergangenheit oder die Vorfahren ab, aber Fremdsein l\u00e4sst sich nicht ausschalten\ud83d\ude0aMan bemerkt es.<\/p>\n

Das schlimmste ist, dass man sich selbst fremd wird. Das Leben verwandelt sich pl\u00f6tzlich von einem Traum in einen Albtraum. Es ist fast unm\u00f6glich, mit dieser \u00c4nderung Schritt zu halten. Man muss den vertrauten Alltag ablegen. In diesem Albtraum hat man v\u00f6llig andere Bed\u00fcrfnisse, Bedingungen, Erwartungen, Anliegen und Ziele. Man w\u00fcnscht sich dann keine Ferien am Strand, sondern nicht im Gef\u00e4ngnis zu sein oder einfach Freiheit; keine Bef\u00f6rderung auf der Arbeit, kein Auto, kein Luxus, sondern nur Ruhe. \u00a0Man fragt sich; wo bin ich, was ist aus mir geworden. Im Spiegel sieht man nicht sich selbst, sondern eine andere Person.<\/p>\n

Fremdsein ist ein Produkt der Diskriminierung oder sozialen Ausgrenzung. Es ist ein Mord ohne Blutvergiessen oder ein sozialer Tod oder jemanden lebendig zu begraben. Das alte Ich, das seine Mutter besucht und einen schwarzen Tee neben einem leckeren Kuchen geniesst, ist tot. Nun gibt es ein neues Ich, das nicht einmal seine Mutter besuchen und nicht ihre H\u00e4nde und Wangen k\u00fcssen darf. Das alte ich, der Jurist, die f\u00fcr die Justiz t\u00e4tig war, ist tot. Nun gibt es ein neues Ich, der seine Heimat wie ein Verbrecher verlassen musste. Wer bin ich?<\/p>\n

Ist die Situation wirklich so schlimm? Yunus Emre, ein anatolischer Dichter und Mystiker, bietet uns ein zauberndes Gegenmittel an. Lasst uns von ihm h\u00f6ren:<\/p>\n

\u201eKomm, wir wollen uns kennenlernen<\/p>\n

Uns das Leben erleichtern<\/p>\n

Lasst uns lieben und geliebt werden<\/p>\n

Diese Welt bleibt doch keinem\u201c<\/p>\n

Wir ben\u00f6tigen ein neues Kennenlernen, ohne Vorurteile, ohne Stereotype. Das schaffen wir.<\/p>\n

Auch das folgende Zitat von Martin Buber ist f\u00fcr mich, f\u00fcr uns wegweisend:<\/p>\n

\u201eDer Mensch wird am Du zum Ich.\u201c<\/p>\n

Deswegen sind wir hier.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

  Ich nehme euch als fremd wahr und ihr nehmt mich als fremd wahr. Das ist uns ein komisches Gef\u00fchl. Um dieses Gef\u00fchl loszuwerden, machen wir immer wieder mit einer Begr\u00fcssung und Vorstellung vertraut. So laufen unsere Gespr\u00e4che gelassen und locker. Mit dieser Vertrautheit erreichen wir Sicherheit und f\u00fchlen uns wohl. Da dies auch den […]<\/p>\n","protected":false},"author":3,"featured_media":8328,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[126,81],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/8327"}],"collection":[{"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/users\/3"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=8327"}],"version-history":[{"count":2,"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/8327\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":8330,"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/8327\/revisions\/8330"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/media\/8328"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=8327"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=8327"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/hukukpenceresi.com\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=8327"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}